Angst II Lyrics & Tabs by Samsas Traum

Angst II

guitar chords lyrics

Samsas Traum

Album : Endstation.Eden 2004 PlayStop

Sie fragen mich, was Angst ist?
Angst kann sehr vieles sein. Ich kann mich allerdings nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal meine Angst in der Art gefühlt habe, wie ich sie in der Zelle nr.47 empfand. Wenn ich mir meine Aufnahmen von damals anhöre, habe ich das Gefühl, dass zwischen mir und meiner Vergangenheit Welten liegen, Welten, von denen ich nur in den seltesten Fällen einen Eindruck erhaschen oder eine Erinnerung behalten durfte. Das Einzige, was ich von damals mit ins Heute genommen habe, sind allen Anscheins nach die Zigaretten.
Ich erinnere mich noch genau an die Worte von S., die er bei seinem einzigen Besuch im Suicide-Apartment äußerte: „Und das da ist die Ecke, in der dein Gehirn hätte kleben sollen“ – er deutete mit dem Zeigefinger auf die weiße Betonwand und grinste verlegen: „Keine Ahnung, mit diesem Haus stimmt etwas nicht. Das merkt man schon, wenn man durch den Flur mit dem kalten Licht geht.“ – „Ja, du hast recht,“ erwiderte ich und bekräftigte damit beide seine Aussagen. Ich weiß nicht ob er mir damals meine Verwunderung über den Beweis seiner Empathie angemerkt hat, aber S. hat am frühen Nachmittag eines Tages im Sommer 2002 ein einziges Mal jenes Bild gesehen, das jeden Abend vor meinen Augen aufgestiegen ist.

Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich dieses Haus jemals lebend verlassen würde; ich habe gefühlt, dass es mich töten wollte. Selbst nach dem ein Nachmieter gefunden und die Wohnung der Hausverwaltung übergeben worden war, zweifelte ich noch daran, dass ich es unbeschadet aus der Tür hinaus ins Tageslicht schaffen würde.
Ich habe mich ans Treppengeländer geklammert und bin Stufe für Stufe ganz langsam und vorsichtig hinuntergegangen. Ich befürchtete, im letzten Moment zu stolpern und mir das Genick zu brechen. Als die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war, wusste ich intuitiv, dass es mit meinem Leben noch bis zu einem gewissen Punkt weiter Berg ab gehen würde. Deshalb konnte ich mich nicht freuen.
Ich habe mich bis zum heutigen Tag nicht mehr in die Nähe dieses Hauses getraut, obwohl es das Naheliegendste wäre, um meinen Erinnerungen auf die Sprünge zu helfen.
Gegenwart. Ich steige aus der Dusche und sehe mir im Spiegel dabei zu, wie ich vergeblich versuche, meinen struppeligen nassen Haaren eine Frisur zu verpassen, die auch nur ansatzweise gut aussieht. Das Augenpaar, das mir aus dem Badezimmerspiegel entgegenblickt, kenn‘ ich ganz genau. Ich habe in den letzten 500 Tagen unzählige Male in diese Augen geblickt und ihre Blicke haben Bände gesprochen. Jennis holt mich aus dem Narrenkästchen zurück auf den Planeten Erde. Sie springt auf den Schrank neben dem Waschbecken und bettelt mit ihren Pfoten um meine Hände. Ich öffne das Badezimmerfenster und lasse neben der Katze eine Wolke heißen Wasserdampf hinaus ins Freie steigen. Das Bad ist 100-prozentig angstfrei. Das einzige, was mich an Früher erinnert, sind die negativen Emotionen, die sich kurzzeitig in mir aufbäumen, als ich mit der kalten Luft zwangsläufig auch die geräusche anderer Menschen in meinen Lebensraum hineinlasse.
Ich hasse es immer noch, die Anwesenheit von mir nicht geduldeter Lebewesen in meiner Nähe ertragen zu müssen. Ich unterdrücke meinen Kurzweiligen misanthropischen Ausbruch. Ich unterdrücke ihn, ich bewältige ihn nicht, ich will ihn nie und ich werde ihn nie bewältigen können.
In dem Wirtshaus, in dem wir uns gezwungenermaßen an diesem Abend befinden, sitzt uns am Tisch ein Ehepaar in den mittleren Jahren gegenüber, das damit beschäftigt ist, salzige und vor Fett nur so triefende Nahrung in schmatzende Munde zu schaufeln. Der Mann zerreißt ein gebratenes Huhn mit den Händen und leckt sich die Finger ab. Die Frau schnappt hastig nach einer Gabel, auf der sich wässriger Krautsalat befindet. Die beiden erzählen uns stolz von ihren Blutwerten und behaupten, dass man, wenn man mit der Nahrung zu viel Salz aufnimmt, einfach mehr trinken müsse. „Ich trinke sowieso viel Bier,“ sagt der Mann und beißt in seine Hühnerkeule. Ich kontrolliere kurz ein paar Register in meinem Kopf und komme schließlich zu der Feststellung, dass er den Satz, den er eben sagte, todernst gemeint hat und von der Richtigkeit dessen Inhalts überzeugt war. In meiner Phantasie schreie ich den beiden „Salz bindet das Wasser in den Zellen, verdammt noch mal!“ und „Alkohol gilt nicht als Flüssigkeit!“ ins Gesicht. In der Realität halte ich meinen Mund und versuche, mir den Ekel, den die beiden in mir verursachen, nicht anmerken zu lassen. Auf ihren hochroten Köpfen bilden sich über den zusammengekniffenen Schweinsaugen die ersten kleinen Schweißperlen.
Angst beschleicht mich in dieser Situation lediglich in dem Augenblick, in dem ich mir eingestehen muss, dass diese beiden Menschen keinen blassen Schimmer davon haben, was in der Welt um sie herum passiert und dass sie die Grenzen ihrer Köpfe niemals überschreiten werden.
Im Bett beschleicht mich kurz ein Gefühl, das mich an Angst erinnert, ich habe dieses Gefühl an diesem Ort oft empfunden, es war eine Form von Angst, die ich vorher noch nicht kannte und die sich mittlerweile auf ein Minimum reduziert hat, beziehungsweise so gut wie gar nicht mehr vorhanden ist. Ich habe den Eindruck, dass unter der Zimmerdecke negative Energie hängt, die auf mich herabschaut. Sie wartet darauf, mich anfallen und auffressen zu können. Ich weiß, dass es mir eines Tages gelingen wird, sie bis in alle Ewigkeit aus diesem Raum zu vertreiben. Falls sie nicht schon längst fort ist.
Ich missachte völlig, dass es sich bei ihr möglicherweise um meinen eigenen Hass handeln könnte. „Eines Tages werde ich diese Haus abreißen lassen,“ denke ich müde. Ich zünde eine Kerze an und schlafe langsam ein. Am anderen Morgen muss ich mir eingestehen, dass ich nicht wirklich davon ausgegangen bin, während der Nacht von einem Klumpen Antimaterie gefressen zu werden.
Das Telefon klingelt. Wenn jemand so früh anruft, kann es sich nur um meine Plattenfirma handeln. „Hallo A., hier ist K.! Ich habe dir etwas zu sagen! Etwas, das du noch nicht wusstest!“ – „Ich bin froh, diese Worte nicht zu hören“ – „A., willst du mit Samsas Traum noch erfolgreicher werden? Willst du noch mehr Platten verkaufen? Ja?!“ Die Stimme meines Plattenbosses preist mir durch die Hörermuschel meinen eigenen Erfolg, wie ein Fischverkäufer Aale auf einem Wochenmarkt an. Angst macht mir in solchen Augenblicken ausschließlich die risikofreudige Selbstsicherheit und die meiner Leistungsfähigkeit# entgegengebrachte Ignoranz, die mir Sätze wie „Sicher, kein Problem, wir verwirklichen alle Pläne, so kurzfristig sie auch gefasst sein sollten“ über die Lippen gleiten lässt. Ich habe festgestellt, dass es sich bei diesem Leben im Allgemeinen, bei all seinen Problemen, ihren Lösungen, ihren Ursachen und den Auswirkungen diverser Handlungen lediglich um eine Folge von logischen Zusammenhängen handelt. Wenn ich A ausführe, wird B passieren; wenn ich C unterbinde, wird D niemals geschehen. Man kann dieses Spiel das ganze Alphabet hinauf und hinunter kreuz und quer durchspielen. Hierbei handelt es sich um keine Annahme, sondern um eine Tatsache, die nicht nur das Phantom der Angst fast völlig verblassen lässt, sondern dir auch dabei hilft, die Natur etlicher Gedankenverkettungen zu durchschauen. Das eigene Leben, sogar der eigene Kopf verwandelt sich durch dieses Denkmodell in ein Schachbrett, auf dem man seine Taten wie Figuren bewegt und man bewegt sowohl die weißen, als auch die Schwarzen Figuren. Angst hingegen ist ein Zustand, in dem man der Fähigkeit, bewusst in die eigene Geschichte einzugreifen, beraubt wurde, oder sich freiwillig hat berauben lassen. Ich hatte das Glück, dass ich vor der Blütezeit dieser Entwicklung komplett zerstört wurde und für mich nur noch die Wahl zwischen Tod und Leben stand, mir die Entscheidung also ziemlich leicht gemacht wurde. Vielleicht habe ich einfach nur darauf gewartet, dass mein Leben endlich auf zwei Richtungen reduziert werden würde, die mir nicht immer eindeutig sichtbar vor den Augen lagen.
…dies ist das Ende des Alptraums, der dein Leben ist…
Zusammenfassend würde ich sagen, – und ich betrachte diesen Satz als Wiedergutmachung für das, was mir unter anderem von mir selbst angetan wurde – dass Angst kein Bestandteil meines Lebens mehr ist.

Das Telefon klingelt. Wenn jemand so früh anruft, kann es sich nur um meine Plattenfirma handeln. „Hallo A., hier ist K.! Ich habe dir etwas zu sagen! Etwas, das du noch nicht wusstest!“ – „Ich bin froh, diese Worte nicht zu hören“ – „A., willst du mit Samsas Traum noch erfolgreicher werden? Willst du noch mehr Platten verkaufen? Ja?!“ Die Stimme meines Plattenbosses preist mir durch die Hörermuschel meinen eigenen Erfolg, wie ein Fischverkäufer Aale auf einem Wochenmarkt an. Angst macht mir in solchen Augenblicken ausschließlich die risikofreudige Selbstsicherheit und die meiner Leistungsfähigkeit# entgegengebrachte Ignoranz, die mir Sätze wie „Sicher, kein Problem, wir verwirklichen alle Pläne, so kurzfristig sie auch gefasst sein sollten“ über die Lippen gleiten lässt. Ich habe festgestellt, dass es sich bei diesem Leben im Allgemeinen, bei all seinen Problemen, ihren Lösungen, ihren Ursachen und den Auswirkungen diverser Handlungen lediglich um eine Folge von logischen Zusammenhängen handelt. Wenn ich A ausführe, wird B passieren; wenn ich C unterbinde, wird D niemals geschehen. Man kann dieses Spiel das ganze Alphabet hinauf und hinunter kreuz und quer durchspielen. Hierbei handelt es sich um keine Annahme, sondern um eine Tatsache, die nicht nur das Phantom der Angst fast völlig verblassen lässt, sondern dir auch dabei hilft, die Natur etlicher Gedankenverkettungen zu durchschauen. Das eigene Leben, sogar der eigene Kopf verwandelt sich durch dieses Denkmodell in ein Schachbrett, auf dem man seine Taten wie Figuren bewegt und man bewegt sowohl die weißen, als auch die Schwarzen Figuren. Angst hingegen ist ein Zustand, in dem man der Fähigkeit, bewusst in die eigene Geschichte einzugreifen, beraubt wurde, oder sich freiwillig hat berauben lassen. Ich hatte das Glück, dass ich vor der Blütezeit dieser Entwicklung komplett zerstört wurde und für mich nur noch die Wahl zwischen Tod und Leben stand, mir die Entscheidung also ziemlich leicht gemacht wurde. Vielleicht habe ich einfach nur darauf gewartet, dass mein Leben endlich auf zwei Richtungen reduziert werden würde, die mir nicht immer eindeutig sichtbar vor den Augen lagen.
…dies ist das Ende des Alptraums, der dein Leben ist…
Zusammenfassend würde ich sagen, – und ich betrachte diesen Satz als Wiedergutmachung für das, was mir unter anderem von mir selbst angetan wurde – dass Angst kein Bestandteil meines Lebens mehr ist.

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